Führung in Zeiten von KI – Was bleibt menschlich?
- MC Adler-Huy
- 6. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Warum echte Präsenz wichtiger wird als Effizienz
Die Diskussion um künstliche Intelligenz wird derzeit oft technisch geführt: Welche Prozesse lassen sich automatisieren? Welche Aufgaben übernimmt ChatGPT? Welche Entscheidungen trifft künftig ein Algorithmus schneller, neutraler, effizienter?
Doch was passiert mit Führung, wenn Effizienz nicht mehr das zentrale Unterscheidungskriterium ist?
Wenn wir beginnen, Aufgaben an Maschinen abzugeben, die bisher als menschlich galten – etwa Feedback geben, Teams strukturieren, Präsentationen vorbereiten – stellt sich die Frage: Was bleibt für die Menschen, die führen?
Führung war nie nur Funktion
Gute Führung ist mehr als das Abarbeiten von Aufgabenlisten. Sie ist Beziehungsarbeit. Sie ist Orientierung unter Unsicherheit. Sie ist das Halten von Spannung – zwischen Ziel und Team, zwischen Organisation und Individuum, zwischen Rolle und Person.
Führung bedeutet auch, nicht zu wissen – und trotzdem handlungsfähig zu bleiben(1).
Gerade diese Qualität, mit Ambivalenz und Unschärfe umgehen zu können, wird heute zur Schlüsselkompetenz. Und sie ist etwas, das keine KI übernehmen kann. Denn Unsicherheit lässt sich nicht „lösen“ – sie will gehalten werden(2).
Der Mensch als Resonanzkörper
In meiner Arbeit mit Führungskräften spüre ich oft: Der Druck, alles wissen und perfekt kommunizieren zu müssen, steigt. Gleichzeitig erleben viele, dass genau das nicht mehr funktioniert.
Mitarbeitende wollen keine glatten Phrasen – sie wollen Verbindung. Kein KI-gestütztes System kann echtes Zuhören ersetzen. Kein Feedback-Tool spiegelt, was zwischen zwei Menschen unausgesprochen im Raum steht(3).
Hier braucht es Präsenz. Mut zur Stille. Die Fähigkeit, sich zuzumuten – auch in Momenten, in denen keine klare Antwort parat ist.
Was Kunst über Führung lehrt
Führung ist nicht statisch. Sie wird erlebt. Interpretiert. Gedeutet.
Ein Bild, das ich in meinen Coachings manchmal zur Reflexion nutze, ist Der Mann mit dem Goldhelm, ein Gemälde aus dem Umkreis Rembrandts(4). Der Blick dieses Mannes ist würdevoll – und gleichzeitig zögerlich. Er wirkt bedeutend – und zugleich verletzlich.
Die Kunsthistorie ist sich nicht sicher, wer ihn gemalt hat. Lange galt es als Werk Rembrandts, später wurde das revidiert. Und dennoch: Die Ausstrahlung des Porträts bleibt.
Für mich ist dieses Bild ein Sinnbild für moderne Führung:N icht autoritär, sondern präsent. Nicht allwissend, sondern zugewandt.
Fazit: Was bleibt, ist Beziehung
In Zeiten der Automatisierung wird Menschlichkeit nicht obsolet – sie wird zum strategischen Vorteil. Führung braucht heute keine zusätzliche Effizienz, sondern Raum für Begegnung.
Wenn du dich als Führungskraft fragst, was dich wirklich ausmacht – jenseits von Tools und Technik –, dann lade ich dich ein: Reflektiere deine Führungsrolle neu. Im Gespräch. Mit Kunst. Und mit dir selbst.
Fußnoten:
Grunwald, A. (2018). Die Grenzen der Berechenbarkeit: Systemisches Denken in Zeiten der Digitalisierung. In: „Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis“, 27(2), 24–29.
Simon, F. B. (2021). Einführung in die systemische Arbeit mit Einzelnen. Carl-Auer Verlag.
Huang, K., & Rust, R. T. (2021). Artificial Empathy in Service. Journal of Service Research, 24(1), 26–41.
Der Mann mit dem Goldhelm, ca. 1650, ehemals Rembrandt zugeschrieben. Heute in der Gemäldegalerie, Berlin. Gemeinfrei.



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