Wahrnehmen, was da ist – Warum Kunstbetrachtung so tief wirkt
- MC Adler-Huy
- 4. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Es gibt diese Momente, in denen man vor einem Kunstwerk steht – und plötzlich ist alles still.Kein Gedanke, kein Ziel, kein To-do. Nur Farbe, Form, Raum.Vielleicht kennst du das: Du schaust auf ein Bild, und irgendetwas bewegt dich – ohne dass du sagen kannst, warum.
Genau hier beginnt das, was mich an der Kunst schon immer fasziniert hat: Wahrnehmung.
Nicht als oberflächliches Sehen, sondern als etwas, das uns berührt, innehalten lässt, etwas in uns anstößt.
Genau hier liegt der Kern meines Ansatzes Kunst im System:
Kunstbetrachtung als Resonanzraum für Selbstwahrnehmung und Veränderung.
Was passiert im Gehirn, wenn wir Kunst betrachten?
Forschung zeigt, dass Kunstbetrachtung weit mehr ist als eine ästhetische Erfahrung.Wenn wir ein Kunstwerk anschauen, wird im Gehirn ein erstaunliches Netzwerk aktiviert: Bereiche, die mit Emotion, Erinnerung, Selbstwahrnehmung und Bedeutung verknüpft sind.
Eine Studie der Universität Wien (Trupp et al., 2025) zeigte, dass bereits das reine Betrachten von Kunst – also ohne selbst kreativ tätig zu sein – Stress reduziert und das Wohlbefinden steigert.¹Auch das King’s College London fand heraus, dass der Besuch eines Museums messbar das Stresshormon Cortisol senkt.²
Das heißt: Schon das Sehen wirkt.In diesen Momenten passiert etwas, das der Neurowissenschaftler Anjan Chatterjee „ästhetische Resonanz“ nennt – eine Verbindung zwischen Wahrnehmung, Emotion und Bedeutung.³Unser Gehirn reagiert auf Farben, Kontraste und Formen mit denselben Schaltkreisen, die auch bei Musik, Erinnerungen oder Nähe aktiviert werden.
Kunst spricht also direkt zu dem Teil von uns, der fühlt – nicht zu dem, der analysiert.

Warum Wahrnehmung so kraftvoll ist
Im Alltag übersehen wir oft, was offensichtlich ist. Wir funktionieren, reagieren, entscheiden – und verlieren dabei den Kontakt zu dem, was ist.Wahrnehmung ist etwas anderes. Sie verlangt keine Bewertung, sie lädt ein zum Sehen ohne Absicht.
Wenn wir in der Kunst verweilen, passiert genau das: Wir üben, zu sehen, was da ist.In der Psychologie nennt man das „Selbstbeobachtung zweiter Ordnung“ – wir betrachten etwas Äußeres und werden gleichzeitig auf uns selbst aufmerksam.
Kunst schafft diesen Moment, in dem wir still werden und wieder spüren, was uns bewegt.Und genau das ist die Voraussetzung für Veränderung – im Coaching, in der Führung, im Leben.
Wie Kunstbetrachtung im Coaching funktioniert
In meinem Ansatz Kunst im System verbinde ich Kunstgeschichte, Wahrnehmung und systemisches Denken.Der Ablauf ist klar strukturiert und dennoch offen für das, was entsteht:
Wahrnehmen – Wir beginnen mit dem, was sichtbar ist. Farben, Formen, Linien, Bewegung.Was sehen Sie wirklich? Wo bleibt Ihr Blick hängen?
Resonieren – Danach geht es um das, was sich im Inneren bewegt.Was löst das in Ihnen aus? Welche Stimmung, welche Körperempfindung entsteht?
Reflektieren und Transferieren – Schließlich fragen wir:Wo in Ihrem Leben begegnet Ihnen diese Dynamik?Was möchten Sie davon mitnehmen oder verändern?
Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich beim Betrachten eines Kunstwerks plötzlich neue Perspektiven öffnen.Nicht, weil ich als Coach etwas erkläre, sondern weil die Person selbst sieht, spürt und versteht.Kunst wird zum Spiegel, Wahrnehmung zur Brücke – zwischen Denken, Fühlen und Handeln
.
Warum das funktioniert
Das Geheimnis liegt darin, dass Kunst unser Gehirn nicht nur kognitiv, sondern emotional anspricht.Sie verbindet beide Hemisphären – das Analytische und das Intuitive.Dadurch entsteht eine Art innerer Dialog, der auch systemisch relevant ist: Wir nehmen Beziehungen, Spannungen und Möglichkeiten wahr, die vorher verborgen waren.
Diese Kombination aus ästhetischer Wahrnehmung und systemischer Reflexion ist kein Zufall.Sie folgt einem klaren Prozess: Wahrnehmung – Resonanz – Erkenntnis – Handlung.So kann Kunstbetrachtung zu einer Methode werden, die Menschen unterstützt, ihre eigene Realität bewusster zu gestalten.
Wissenschaftlich fundiert, menschlich erfahrbar
Studien aus Neuroästhetik, Psychologie und Gesundheitsforschung belegen, dass Kunstbetrachtung die Aktivität des sogenannten Default Mode Networks im Gehirn steigert – jenes Netzwerks, das für Selbstwahrnehmung und Bedeutung zuständig ist.⁴Sie zeigen auch, dass sich die Wirkung noch verstärkt, wenn Menschen länger und bewusster vor einem Kunstwerk verweilen („Slow Looking“).⁵
Kurz gesagt: Unser Gehirn reagiert auf Kunst, weil Kunst Resonanz erzeugt.Und Resonanz ist der Beginn jeder Veränderung.
Einladung zum Innehalten
Kunst kann zu einer Schule der Wahrnehmung werden.Sie lehrt uns, zu sehen, zu spüren, zu verstehen – und dann zu handeln.Deshalb nutze ich sie in meinen Coachings als Resonanzraum: für Klarheit, Selbstkontakt und neue Perspektiven.
Denn Veränderung beginnt selten mit einem Plan.Sie beginnt mit einem Blick.
Klingt nach etwas, das Du erleben möchtest?
Ich freue mich auf unser Gespräch.
Quellen (Auswahl)
Trupp, M. K. D. et al. (2025): The impact of viewing art on well-being – a systematic review of the evidence base and suggested mechanisms. The Journal of Positive Psychology.
King’s College London (2025): Art and Cortisol: Physiological effects of original artworks.
Chatterjee, A. (2024): Neuroaesthetics and the embodied mind. Cognitive Processing.
Mastandrea, S. (2019): Art and Psychological Well-Being: Linking the Brain to Aesthetic Experience. Frontiers in Psychology.
Wallis, N. (2024): The Slow Museum: Affordances of Slow Looking. Museum Management and Curatorship.


Kommentare